L**k down / up Editorial
Im März 2020 startete Zurich eine Kampagne mit dem Slogan: "Bleiben Sie zu Hause. Bitte. Alle." Der Verkehrslärm verstummte. Die Vögel sangen lauter als zuvor. Jeder hatte Zeit. Die außergewöhnliche Situation brachte das gewöhnliche Leben nach vorne. So etwas hatte es noch nie gegeben. Und doch fühlte es sich seltsam vertraut an. Der Außenraum erschien wie ein großer Innenraum. Der Innenraum hingegen wirkt wie ein Mikrokosmos. Als Erwachsene sahen wir die Dinge mit den Augen von Kindern. Die Kamera erfasste die Veränderung von Farben, Räumen und Oberflächen genauer, als es Begriffe könnten. Die Kamera suchte nicht nach den Klischees, die die Nachrichten füllen - leere Züge, leere Touristenorte, geschlossene Geschäfte. Vielmehr registrierte sie die Zeichen des Wandels: Ornamente, die Kinder auf den Asphalt gemalt hatten, glückliche Hunde, die fünfmal am Tag nach draußen geführt wurden, Gespräche mit Nachbarn auf dem Balkon, Schichten von goldenen Pollen und Blütenblättern auf den Dächern ungewaschener Autos, die Abgase eines einsamen Flugzeugs hoch am Himmel. Im Nachhinein helfen uns die Fotos, das wahrzunehmen, was wir in den Nachrichten nicht gehört haben, nämlich die produktive Seite der Abriegelung. Die Menschen begannen, sich umeinander zu kümmern, aufmerksam zu sein, sich zu konzentrieren. Die Gespräche waren tiefgründiger als zuvor, die Telefonate waren länger. Die Sicht wurde klarer, konzentrierter. Dieser lange Frühling hatte etwas Kostbares an sich.